Weidenrinde

Am Palmsonntag ist eine gute Zeit, um die Weidenrinde zu ernten. Oder vielleicht einen Tag vorher, wenn wir sowieso den Palmbuschen vorbereiten. Ich weiß nicht genau, was vorher war: die Suche nach einer Pflanze, die sich halbswegs für den Palmbuschen eignet oder die Ernte der Weidenrinde zu dieser Zeit für den volksmedizinischen Tee, die uns auf die Idee gebracht hat, ihn auch in der Kirche weihen zu lassen.
In meiner Heimatgemeinde unterscheidet sich der Palmbuschen ganz deutlich von den jungen Trieben, die als Medizin verwendet werden. Denn in Unken gibt es keinen Palmbuschen, sondern einen Palmbaum: es werden zwei bis drei Meter hohe, verzweigte Exemplare durch die Kirchenpforte gezwängt. Einige abgestreifte bunte Bänder und Palmbrezen liegen deshalb auch immer gleich am Eingang.
Möglicherweise liegt noch ein großes heilsames Potential in Rinden und Hölzern verborgen, das in unserer westlichen Medizin kaum beachtet wird. Wer etwa in Korea zum Kräutermarkt geht sieht erstaunliches: Unmengen an Bündeln mit Ästen, Holzscheiben und Rinden werden dort angeboten. Der Weidenrindentee ist heute wenig gebräuchlich, was wahrscheinlich an der unpraktikablen Ernte liegt. Doch tatsächlich ist in der Weidenrinde eine ganze Menge an einer Salicylsäure-Vorstufe enthalten. Die Rinde wird von den jungen, dünnen Trieben geschält, sobald im Frühjahr der Saft in ihnen aufsteigt. Dann werden sie gehackt, getrocknet und in Papiersäcken aufbewahrt. Anstatt zu Trocknen kann die Weidenrinde auch gleich in Schnaps oder in verdünntem Schnaps angesetzt werden. Alle Weiden bergen eine wertvolle Medizin in sich, am meisten davon die Silberweide mit ihren silbrig behaarten Blättern und die Purpurweide mit den rötlichen Kätzchen. Die Weidenrinde enthält Salicin, das erst von den Darmbakterien in Salicylsäure umgebaut wird. Das ist ein entscheidender Vorteil, weil so die Salicylsäure dem Magen nicht schaden kann. Dafür hilft sie bei Kopfschmerzen und besonders bei entzündlichem Rheuma. Wer das Salicin über die Haut einschleusen möchte, kann sich im Weidenkorbflechten üben. Doch auch das ist ziemlich aufwendig!

Quelle: Weide_März2023